Archiv für den Monat: August 2024

Aus der Geodätischen Sammlung der Technischen Hochschule Danzig

Obwohl die technische Hochschule Danzig – heute Politechnika Gdańska – überhaupt erst 1904 eröffnet wurde, ist ihr Lehrstuhl für Geodäsie der Älteste in Polen. Ursprünglich war er der Abteilung für Bauingenieurwesen angegeliedert, heute gehört er zur Fakultät für Bau- und Umweltingenieurwesen. In der polnischprachigen Wikipedia hat der Lehrstuhl einen Eintrag (Katedra Geodezji Politechniki Gdańskiej), in dem auch dessen Historie thematisiert wird. Demnach hatten die Geodäsie-Professur nacheinander inne: Otto Eggert von 1904 bis 1921, Wilhelm Lührs von 1921 bis 1937 und Ulrich Graf von 1938 bis 1945. Einer fehlt noch in dieser illustren Schar. Nach der Fortberufung von Prof. Eggert hatte Erich Brennecke vertretungsweise den Lehrstuhl verwaltet.

Buchstempel Königliche Technische Hochschule * DANZIG * Geodätische SammlungAm Lehrstuhl existierte seinerzeit eine Lehrmittelsammlung, zu der, wie untenstehende Abbildung von 1930 zeigt, auch eine kleine Bibliothek gehörte. Aus dieser Büchersammlung nun ist ein Einzelband auf verschlungenen Pfaden in die DVW-Bibliothek gelangt. Der 1905 erschienene Band aus der Reihe Höhen über N.N. von Festpunkten und Pegeln an Wasserstrassen (Digitalisat bei der TIB) trägt den Stempel Königliche Technische Hochschule * DANZIG * Geodätische Sammlung. Der Schriftzug „Königliche“ weist den Stempel trotz der modernen Anmutung in die Zeit vor 1919. Das Buch muss also definitiv bereits unter Prof. Otto Eggert in den Danziger Bestand gelangt sein, als die Hochschule noch königlich war. Durch weiteren Besitzstempel ist der 1906 verstorbene Geodäsieprofessor Carl Reinhertz als Vorbesitzer vermerkt.

Nun kehrt das Buch wieder zurück nach Danzig, an die Biblioteka Politechniki Gdańskiej. Hier besteht an der Hochschulbibliothek seit Mitte der 1980er Jahre eine historische Abteilung einschließlich Museumssammlung, die darum bemüht ist, materielle Spuren der Technischen Universität Danzig von der Gründung 1904 bis heute zu erwerben, zu sammeln, zu bewahren und zu entwickeln. Mit auf die Reise geht neben zwei Danziger Dissertationsschriften noch die 1951 vom ehemaligen Danziger Professor für Geodäsie und Geometrie Ulrich Graf 1951 bei Perthes in Gotha veröffentlichte Mathematik für Kartographen, die letztlich auf dessen Vorlesungen in Danzig zurückgeht.

Ersatz eines in der Anna-Amalia-Bibliothek verbrannten Weimarer Buchs über Grundstückszusammenlegungen von 1873

Der seit gestern verfügbare fünfteilige Podcast Bücher in Asche. Der Brand in der Anna Amalia Bibliothek erinnert dieser Tage an den  größten Bibliotheksbrand der deutschen Nachkriegsgeschichte vor ziemlich genau 20 Jahren, bei dem am 2. September 2004 in Weimar 50.000 Bücher verbrannten. Bis heute bittet die Bibliothek um Mithilfe bei der Identifizierung von aus dem Brandschutt geborgenen Aschebüchern und Aschebuchfragmenten, immer wieder flankiert von Aufrufen des Bibliotheksdirektors @DirektorHAAB. Das BuB Magazin hat dazu vor Kurzem ausführlich berichtet.

Bibliotheksdirektor Dr. Reinhard Laube betrachtet im Rückblick nach 20 Jahren den Bibliotheksbrand als Geschichtszeichen: „Die Fragilität der kulturellen Überlieferung wird sichtbar und zur Frage von Rettung und Gestaltung in einem Akt der gesellschaftlichen Übernahme von Verantwortung. Kulturelle Überlieferung wird eben nicht einfach aufbewahrt, sie ist eine Entscheidung der Gegenwart und Frage der Gestaltung.“

Wo ein solches Bewusstsein verloren geht und keiner mehr so recht Verantwortung übernehmen will, kann es gerade bei kleinen Einrichtungen wie der ehemaligen DVW-Bibliothek ganz schnell dahin sein mit der kulturellen Überlieferung. Hier war es so, dass der DVW seine in 120 Jahren Sammeltätigkeit gehegte und gepflegte Vereinsbibliothek 1995 zunächst als Dauerleihgabe dem heutigen Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) übertragen hat. Aus den Augen aus dem Sinn ging die Bindung des Vereins an seine Bibliothek verloren. Auskunfts- und Benutzungswünsche durch Vereinsmitglieder tendierten gen Null, so dass man schließlich 2005 die Bestände ganz dem BKG übertrug. Damit war letztlich das Schicksal der Büchersammlung besiegelt. Ohne die bisherige Verankerung im Verein war die schwach genutzte Bibliothek ohne Perspektive. Es war nur eine Frage der Zeit, dass das BKG, das als geodätisch-kartographische Fachbehörde ohne entsprechenden Sammlungs- und Erhaltungsauftrag ganz andere Aufgaben hat, als historische Vereinsbibliotheken zu bewahren, die ihm aufgedrängte Last dem Schenker zurückübertragen wollte. Doch der hat dankend abgewunken. Kein Interesse am eigenen Cultural Heritage und kein Mut, die schlummernden Ressourcen wieder ins Bewusstsein zurückzuholen.

BuchtitelImmerhin konnten durch private Initiative Teilbestände der ehemaligen DVW-Bibliothek gerettet werden, vorwiegend ältere und seltene Sachen. Darunter auch einige jener 40 Titel, die dem Deutschen Geometerverein 1873 als Grundstock der neu errichteten Bibliothek vermacht worden waren. Dazu gehört das im Beitrag Die Anfänge der Bibliothek des Deutschen Geometer-Vereins im Jahr 1873 schon erwähnte Buch Über Ablösung grundherrlicher Rechte und die Zusammenlegung der Grundstücke (Separation, Consolidation, Commassation) mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im Grossherzogthum Sachsen-Weimar : nebst 2 Karten über die Zusammenlegung der Grundstücke in der Flur Hochstedt : herausgegeben von M. Gau, grossherzoglich weimarischer Special-Kommissar, Weimar 1873.

Hier schließt sich nun der Kreis. Im Online-Katalog der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar ist das Werk nämlich mit dem Status Verlust / ausgesondert versehen, ergänzt um die Anmerkung: Verlust bei Bibliotheksbrand 2004, Fragment wird nicht restauriert. Grund genug, das Exemplar aus der ehemaligen DVW-Bibliothek nach Weimar zu geben!

Über den Verfasser M. Gau, der trotz obiger Veröffentlichung bislang keinen GND-Eintrag spendiert bekommen hat, lässt sich nicht viel Biographisches herausfinden. Im Staatshandbuch für das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach von 1869, S. 87 erscheint Max Gau als Ökonomischer Spezialkommissar im Geschäftskreis der 1848 eingerichteten General-Kommission für Ablösung grundherrlicher Rechte zunächst in Weimar. Die Staatshandbücher von 1880, S. 183 und 1885, S. 164 weisen ihn dann unter den Behörden für Ablösungs- und Grundstückszusammelegungssachen als Oekonomiekommissar in Eisenach aus. 1883 fungierte Gau als Vorsitzender des geschäftsführenden Ausschusses des Comités für das Eisenbahnprojekt Eisenach-Eschwege und ist damit mutmaßlicher Verfasser einer diesbezüglichen Denkschrift. 1889 trat er in den Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 40 noch mit einem Aufsatz über Die Hausindustrie im Eisenacher Oberland des Großherzogtums Sachsen hervor.

Der 1873 an der Kartenbeilage (s.u.) beteiligte Geometer O. Ingber findet in den Staatshandbüchern jeweils an gleicher Stelle als Otto Friedrich Eugen Ingber bzw. Otto Ingber Erwähnung. Als Eugen Ingber lässt er sich zudem im Mitgliederverzeichnis des Deutschen Geometervereins von 1881 nachweisen. Die Anna Amalia Bibliothek verfügt bereits über einen 1867 von ihm kopierten Plan der Situation zur Projectirung neuer Anlagen bei dem Bade Berka, in dem er als Großherzogl. S. Geometer erscheint. Eine 1882 von Ingber gezeichnete topografische Karte der Umgebung von Berka a. I. befindet sich in der Sammlung der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt.

Aus der Königlichen Oberbergamts-Bibliothek zu Halle

Besitzstempel der Königlichen Oberbergamts-Bibliothek zu HalleWie an anderer Stelle (z.B. im Beitrag zu Otto Böttcher) angedeutet, befanden sich in der maßgeblich auch durch Schenkungen aufgebauten ehemaligen DVW-Bibliothek zahlreiche Bücher mit Provenienzmerkmalen ihrer Vorbesitzer. Häufig finden sich Besitzeinträge oder Exlibris-Stempel privater Büchersammlungen, mitunter Bibliotheksstempel öffentlicher Einrichtungen.

Zu diesen eher seltenen Exemplaren gehören zwei Bücher aus der Bibliothek des ehemaligen Oberbergamts Halle. Es handelt sich zum Einen um Ueber den Einfluss der Gestalt des Terrains auf die Resultate barometrischer und trigonometrischer Höhenmessung … von Wilhelm Fuchs, Wien 1843 (books.google.de?id=0h5SAAAAcAAJ) und zum anderen um Die konforme Doppelprojektion der Trigonometrischen Abtheilung der Königl. Preussischen Landesaufnahme von Oskar Schreiber, Berlin 1897 (goobi.tib.eu/viewer/image/872785858/).

Nähere Auskünfte über die Bibliothek mit Stand von 1904 gibt der Führer durch Halle a. d. S. und seine staatlichen und städtischen Einrichtungen und Anstalten, S. 78 f.:

Die Oberbergamts⸗Bibliothek, begründet 1772, befindet sich in dem während der Jahre 1882 bis 1884 erbauten, Friedrichstraße 13 belegenen Verwaltungsgebäude des Königl. Qberbergamts, der bergbaulichen Oberbehörde für die Provinzen Sachsen, Brandenburg und Pommern. Sie umfaßt etwa 20000 Bände, einschließlich 530 Handschriften, und besteht hauptsächlich in zum Teil höchst kostbaren Werken aus dem Gebiete der Naturwissenschaften, insbesondere des Berg⸗, Hütten- und Salinen-Wesens, sowie aus dem Bereiche der Staats- und Rechts⸗Wissenschaften. Es sind jedoch auch Werke aus anderen Gebieten, z. B. über Bau- und Ingenieur-Wissenschaft, bildende Künste, Technologie, Industrie und Gewerbe, Unterrichts- und Erziehungswesen, Geographie, Ethnographie, Geschichte, Sprachwissenschaft, zahlreich vertreten.
Die Bibliothek ist an den Wochentagen von 11 bis 1 Uhr geöffnet. Ihre Benutzung seitens solcher Personen, welche nicht dem Oberbergamte und seinen Unterbehörden angehören, ist nur mit Genehmigung des Oberbergamts gestattet. Man wende sich zunächst an den Bibliothekar Herrn Oberbergamtssekretär Wuthenau.
Gedruckter Katalog. Halle a. S. Heynemannsche Buchdruckerei, 1886 (642 und XIII S).
J. Nachtrag. Das., Buchdruckerei des Waisenhauses, 1900 (306 und XIV S.).

1952 kamen Bibliothek (1929: 30.000 Bände) und das Gebäude des ehemaligen Oberbergamts an die Universitäts- und Landesbibliothek (ULB).

Einzelne Bücher aus der ehemaligen Bibliothek tauchen vielerorts auf. Erkennbar sind sie am immer gleichen Bibliotheksstempel. Der Stempel der „K. OBERBERGAMTS BIBLIOTHEK HALLE“ kann auf einen eigenen Eintrag im ProvenienzWiki des GBV verweisen, hat dazu einen Normdatensatz in der GND und ist in unterschiedlichen Provenienzverzeichnungen nachgewiesen:

Darüber hinaus finden sich die Bibliotheksstempel hin und wieder in Digitalisaten, beispielsweise auf einem Titel von 1855 im Deutschen Museum oder von 1866 in der Ohio State University. Auch im Antiqariatshandel sind hier und da mit dem Oberbergamtsbibbliotheksstempel versehen Schätze zu haben.

Die beiden Exemplare in der ehemaligen DVW-Bibliothek gelangten, ohne dass sie entstempelt wurden, in den 1960er Jahren an die DVW-Bibliothek und wurden nun der ULB Halle zurückgegeben. Weiterhin nach Halle abgegeben wurde in dem Zusammenhang u.a. der bislang der bislang fehlende letzte Band der von Karl Peucker geleiteten Kartographischen und schulgeographischen Zeitschrift.

Prof. Hermann Degner verschenkt ein Bibliotheksbuch aus der Preußischen Landesaufnahme (2)

Hermann DegnerIm Beitrag Prof. Degner verschenkt ein Bibliotheksbuch aus der Preuß. Landesaufnahme (1) enden die biografischen Notizen zu Hermann Degner mit dessen Promotion 1911. Zum weiteren, insbesondere militärischen Lebensweg gibt Feuerwerker-Oberleutnant a.D. Erich Schoen in seiner 1936 erschienenen Dokumentation zur Geschichte des Deutschen Feuerwerkswesens der Armee und Marine mit Einschluß des Zeugwesens Auskunft:

1886-1888 besuchte er die Oberfeuerwerkerschule in Berlin und wurde im März 1891 als Oberfeuerwerker zur Landesaufnahme kommandiert. Nach Ableistung der 3 vorgeschriebenen Übungen beim Fußartillerieregiment 5 und 1 wurde er 1896 zum Leutnant der Landwehr, 1908 zum Oberleutnant und 1913 zum Hauptmann befördert. Den Weltkrieg machte er in verschiedenen leitenden Stellungen, hauptsächlich als Führer der Vermessungsabteilung 9, mit.

Die Rangliste jener Vermessungsabteilung im Bayerischen Staatsarchiv München, Abt. IV Kriegsarchiv, Kriegsstammrollen 1914–1918, Band 20497 gibt dann weitere Details preis (Abb.). Zuletzt Trigonometer bei der Kgl. Landesaufnahme mit Wahrnehmung der Geschäfte eines Vermessungsdirigenten wurde Degner demnach nach der Mobilmachung Feldtrigonometer und als solcher ab 28. Dezember 1914 Führer der Festungs-Vermessungs-Abteilung 9, mit der er sich als Teil der 1. Königlich Bayerischen Division bis 3. August 1915 in den besetzten Gebieten von Belgien befand und dann vom 4. August bis 13. Oktober 1905 zunächst an Stellungskämpfen bei Saint-Quentin sowie ab 14. Oktober 1915 bis Ende März 1915 in Flandern und Artois beteiligt war. Am 1. April 1916 wurde Degner dann zur Vermessungs-Abteilung 19 beim Oberkommando der 3. Armee versetzt, die unter Leitung von Prof. Max Eckert-Greifendorff stand.

Unerwarteterweise wird aus der Rangliste schließlich auch noch der Hintergrund dafür deutlich, warum Hermann Degner nach dem Kriege seine Publikation Egbert Harbert überließ. Denn in der bayerischen Festungs-Vermessungs-Abteilung 9 kreuzten sich die Wege der beiden Feldtrigonometer. Während aus dem Beitrag Karl Gerkes zum Egbert-Harbert-Gedenkkolloquium bislang nur vage bekannt war, dass der spätere DVW-Vorsitzende während des 1. Weltkrieges (1915 – 1918)  … als Feldartillerist, als Feldtrigonometer, als Führer einer Raumbildgruppe – Stereophotogrammeter – und auch als höherer Vermessungsbeamter bei Kriegsvermessungsabteilungen im Einsatz war, besagt sein Ranglisteneintrag (Abb.) dass er als Landsturm-Angehöriger seit 11. Januar 1915 Feldtrigonometer bei der Festungs-Vermessungs-Abteilung 9 war und vom 24. November 1915 die Kartenstelle der 111. Infanterie-Division in dem Städtchen Croisilles südöstlich von Arras führte. Am 1. Februar 1916 wurde er dann bei der Festungs-Vermessungs-Abteilung 9 als Beamter entlassen.

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